Programm
Felix Nowowiejski Sinfonie d-Moll op. 45 Nr. 4
(1877-1946)
Adagio - Allegro moderato
Adagio ('Consolatrix Afflictorum-
Trösterin der Betrübten')
Toccata
Róze Sw. Teresy op. 9 Nr. 2 (Rosen der heiligen Theresa)
Sinfonie A-Dur op. 45 Nr. 7
Preludio festivo
Intermezzo (Allegretto)
Thème et Variations
Gedanken zum Programm
Die vierte Sinfonie d - Moll ist geprägt von leidenschaftlichem Ausdruckswillen und dramatischen Gesten von teils großer Virtuosität und unterschiedlichstem Charakter. Mit rund 30 Minuten Dauer ist sie eine der längsten Orgelsinfonien, Nowowiejski verwendet in ihr weder gregorianische Zitate noch polnische Kirchenlieder als Themen oder Zitate.
Im ersten Satz stehen sich zwei Abschnitte von gegensätzlichem Ausdruck gegenüber, die den Verlauf des Satzes in 'entwickelnden Variationen' prägen. Eine langsame Einleitung (Adagio) beginnt in tiefer Lage und im Pianissimo, nur mühsam heben die melodischen Gesten an, um immer wieder in Trugschlüssen zu enden. Dreimal bricht in diese melancholische Ruhe ein Allegro mit aufwärtsstürmenden melodischen Gesten im Fortissimo herein.
Der zweite Satz 'Andante molto espressivo' hat den Untertitel 'Consolatrix afflictorum-Trösterin der Betrübten'. Die beiden Themen sind stark chromatisch gefärbt, ihre Harmonik führt manchmal an die Grenzen der Tonalität.
Die abschließende 'Toccata' beginnt mit einem im Unisono (F-Dur) erklingenden Thema, an die sich eine virtuose Fuge in D-Dur über dieses Thema anschließt. Mehrfach sind ruhige, liedhafte Partien als Reminiszenz eingeflochten, doch es überwiegt der brillante, virtuose Eindruck, der in eine ungewöhnliche Pedal-Kadenz sowie brillante Engführungen des Themas als Stretta mündet. Am Ende zitiert Nowowiejski das Allegro des ersten Satzes und beschließt mit dieser unerwarteten dramatischen Wendung die Sinfonie in d-Moll.
Neben seinen neun Orgelsinfonien op. 45 komponierte Felix Nowowiejski eine Fülle kleinerer Werke, teils zu liturgischem, teils zu konzertantem Gebrauch. Róze Sw. Teresy - Rosen der heiligen Theresa op. 9 Nr. 2 ist eine kurze Fantasie über ein auch heute noch in
Polen bekanntes Lied. Nowowiejski hat diesem Stück als Motto Worte der heiligen Theresa von Lisieux vorangestellt: 'Je veux passer mon ciel à faire du bien sur la terre - ich werde meinen Himmel damit verbringen, um auf Erden Gutes zu tun'.
Die siebente Sinfonie A - Dur ist die einzige der neun Orgelsinfonien Nowowiejskis in einer Durtonart. Ihr Untertitel 'Disputa' bezieht sich auf das berühmte Gemälde 'Disputa del Sacramento' von Raffael aus dem Jahre 1509. Nowowiejski verwendet hier ausschließlich gregorianische Gesänge und polnische Kirchenlieder zum Fronleichnamnsfest, die das ganze Werk durchziehen und thematisch umklammern..
Das 'festliche Präludium' hat die Form eines Sonatensatzes. Ihre beiden Themen, die erste Zeile des Kirchenliedes 'Twoja czesc, chwala - Dein Ruhm und Ehre' (im Pedal) und das gregorianischen 'Pange lingua' bilden dabei als Haupt- und Seitensatz einen starken dynamischen Kontrast. Aus diesen beiden Themen entwickelt sich als 'Durchführung' eine Fuge, die Reprise ist quasi eine 'entwickelnde Variation' der Exposition. Am Ende steht ein hymnisches Zitat des Pange lingua im Unisono.
Im zweiten Satz 'Intermezzo' verwandelt Nowowiejski die Melodie des Kirchenliedes in ein rhythmisch prägnantes Thema im 6/8 Takt im Charakter einer Pastorale. In einem zweiten Teil folgen Zitate aus dem gregorianischen 'Lauda Sion' in zarten Klängen ('voix angéliques'). Das 'Allegretto pastorale' des Anfangs beschließt den Satz.
Im dritten Satz bildet das ganze Marienlied den Ausgangspunkt von sechs immer freier werdenden Variationen. Ihre letzte ist eine Fuge, deren Thema sich aus der erste Melodiezeile ableitet. Nach einer großen Steigerung zitiert Nowowiejski zweimal die Anfangszeile des Liedes im Pianissimo, bevor er mit einer ins Hymnische gesteigerten Wiederholung des ganzen Liedes die Sinfonie beendet. (Rudolf Innig)
Rudolf Innig
geb. 1947, studierte Orgel, Klavier, Kirchenmusik und Musikwissenschaft in Detmold, Köln und Paris. Er war Stipendiat der ′Studienstiftung des Deutschen Volkes′ und Preisträger verschiedener Wettbewerbe im Fach Orgel. Konzerte führten ihn in fast alle Länder Europas, nach Nordamerika, Japan und Korea.
Seine zahlreichen CD-Einspielungen wurden mit mehreren internationalen Schallplattenpreisen ausgezeichnet, u. a. 1999 mit dem ′Echo-Klassik-Preis′ für die Einspielung der neun Orgelsinfonien von Felix Nowowiejski.
Rudolf Innig lebt seit 2011 nach langjähriger Tätigkeit als Leiter der Musikschule Coesfeld und Dozent an der Musikhochschule Detmold in Bielefeld (www.rudolf-innig.de).