Emden, Martin-Luther-Kirche
Samstag, 2. JuLi 2022, 18.00 Uhr
Programm
Johann Sebastian Bach Concerto in G-Dur BWV 592
(1685-1750)
Allegro
Grave
Presto
Felix Mendelssohn Bartholdy Sonate D-Dur für Orgel, op.65 Nr. 5
(1809-1847) Andante (Choral)
Andante con moto
Allegro
Olivier Messiaen Apparition de l' église éternélle (1932)
(1908-1992)
César Franck Choral h-Moll (1890)
(1822-1890)
Karl Waldeck Fantasie g-Moll über ein Thema von
(1841–1902) Anton Bruckner (1824-1896)
Rudolf Innig Fantasie über eine Improvisationsskizze
(*1947) von Anton Bruckner aus dem Jahre 1890
Rudolf Innig, Orgel
(www.rudolf-innig.de)
Gedanken zur Musik
Für Johann Sebastian Bach war seine Tätigkeit als Konzertmeister der Weimarer Hofkapelle (1714–1717) die glücklichste Zeit seines Lebens. Der musikalisch interessierte junge Prinz Johann Ernst brachte ihm dort von seinen Auslandsreisen mehrfach Partituren neuer Orchesterwerke mit, u. a. Solokonzerte von Antonio Vivaldi (1678–1741). Sie wurden für den gerade 30jährigen Bach, der bis dahin nur die nord– und mitteldeutsche Orgelmusik kennengelernt hatte und der selbst nie im Ausland war, zu einem Schlüsselerlebnis, das den Stil seiner eigenen Kompositionen entscheidend veränderte. Die mehrsätzigen Konzerte Vivaldis waren für ihn so faszinierend, dass er einige von ihnen für Orgel Solo oder als Cembalokonzerte bearbeitete. Auch das hier erklingende dreisätzige Concerto G-Dur BWV 592 hat Bach nach einem Violinkonzert des Prinzen (vermutlich aus Dankbarkeit) für Orgel umgeschrieben. Aufgrund der Genialität des 'Bearbeiters' entstand dabei eine neue Komposition, die heute bekannter ist als das Original des ursprünglichen Komponisten.
Felix Mendelssohn galt als der hellste Musiker unserer Zeit, der Mozart des 19 Jahrhunderts. Fast 100 Jahre nach dem Tode Bachs beginnt mit seinen sechs Orgelsonaten op. 65, die 1844/45 fast gleichzeitig in Leipzig, London, Mailand und Paris veröffentlicht wurden, eine neue Epoche der deutschen Orgelmusik: Die von Kirche und Liturgie, Choralbearbeitungen und Fugen geprägte Tradition der Orgelmusik verbindet sich in seinen Orgelwerken mit pianistischer Virtuosität zu echt poetischen neuen Sonaten-) Formen (Robert Schumann).
Olivier Messiaen hat wie kaum ein anderer Komponist die Musik des 20. Jh. geprägt, nicht zuletzt durch seine großen Orgelzyklen. In den Erläuterungen zu seinem 1932 komponierten Stück schreibt Messiaen: Eine feste und kompakte Musik, dem Quader ähnlich, dem Stein unserer Kirchen. Aber die gegenständlichen Kirchen sind symbolische Darstellungen der Kirche im Geiste, die aus 'lebenden Steinen' besteht. Deshalb skandiert das Pedal nachdrücklich die einzelnen Rhythmen. Man hört auch den harten Kontrast zwischen den verschiedenen Harmonien und den leeren, 'rohen' Quinten. Das Stück ist ein überwältigendes Crescendo, Decrescendo, bei dem sich die Klangkräfte der Orgel bis zum Fortissimo auftürmen, um sich zum Schluß im Pianissimo aufzulösen, eine flüchtige Vision.
César Franck hatte 1863 mit seinem Grand Pièce symphonique die sinfonische Orgelmusik in Frankreich begründet. Seine Drei Choräle aus dem Jahr 1890 zählen zu den bedeutendsten Orgelwerken des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Der Choral Nr. 2 h-Moll ist eine sinfonische Fantasie über zwei eigene Themen in zwei Teilen, in deren Mitte ein Rezitativ im Fortissimo der Orgel steht.
Im Frühjahr 1890 war Anton Bruckner in Wien mit der Umarbeitung seiner Sinfonie Nr. 1 c-Moll beschäftigt, die er 1865 in Linz als Domorganist komponiert hatte. Kurz vor Beendigung der Arbeit am Finale erreichte den k.k. Hoforganisten der Wunsch des kaiserlichen Hofes, bei der Hochzeit der jüngsten Kaisertochter Orgel zu spielen. Da er dem Oberhofamt eine Skizze der geplanten Improvisation vorzulegen hatte, notierte er Themen aus dem Finale dieser Sinfonie. Zum Einzug wollte er mit dem Hauptthema beginnen, zum Auszug mit dem Seitensatz, um ihn dann mit dem Halleluja von Händl oder einer Kaiserlied-Improvisation zu verbinden oder sogar alle drei Themen zu vermischen. Bruckners Vorschläge wurden jedoch vom Oberhofamt abgelehnt: Die Themen der Sinfonie seien nicht passend, und eine Fantasie über das 'Kaiserlied' würde den Kaiser langweilen. Obwohl Bruckner zum Einzug dennoch mit einer Fuge über das Kaiserlied (die heutige deutsche Nationalhymne) begann und beim Auszug diese Melodie erneut variierte, war der Kaiser zutiefst beeindruckt und würdigte Bruckners Improvisation mehrfach bei der anschließenden Hoftafel.
Die hier erklingende Fantasie über Bruckners Improvisationsskizze versucht nicht, seine überlieferten Notizen weiterzuführen. Sie verbindet vielmehr die von Bruckner anfangs angedeutete Orgelfassung der beiden Themen des Finales mit einer Transkription der Coda dieser Sinfonie, die in einen triumphalen Schluss in C-Dur mündet. Lediglich das von Bruckner nur flüchtig skizzierte Halleluja-Zitat ist zu einer kleinen Fugato-Episode ausgeweitet.
Karl Waldeck stammte wie Bruckner aus einer Lehrerfamilie in Oberösterreich. Er war Bruckners Orgelschüler und wurde auf seine Empfehlung hin sein Nachfolger als Domorganist in Linz. Die Fantasie über ein Thema von Anton Bruckner orientiert sich an einer Orgelimprovisation, die Waldeck zuvor von Bruckner gehört hatte. In seiner 'Fantasie' variiert er das Thema in verschiedenen Umformungen und Tonarten in Verbindung mit imitatorischen Techniken. (www.rudolf-innig.de)