Neustädter Marienkirche Bielefeld

 

 Sonntag, 09. August 2020, 18.00 Uhr

 

Programm

 

Anton Bruckner/                       Fantasie

Rudolf Innig                              (über eine Improvisationsskizze von Anton Bruckner, 1890)

 

 

Richard Wagner                        'Feuerzauber' aus Die Walküre (1870)  

(1811 – 1881)                            (Transkription für Organ von James Rogers, 1908)

  

Anton Bruckner                        Sinfonie f-Moll (1863)

(1824–1896)                                      

                                                Allegro molto vivace

                                               Andante molto

                                               Scherzo (Schnell)

                                               Finale (Allegro)

                                               (Transkription für Orgel von Rudolf Innig, 2018)

Rudolf Innig, Orgel

Gedanken zur Musik

 Anders als heute war Anton Bruckner zu seiner Zeit nicht als Symphoniker, sondern vor allem als Organist bekannt. Mit 24 Jahren (1848) wurde er zum Stiftsorganisten des Augustinerklosters in St. Florian ernannt, wo er zuvor nach dem frühen Tod seines Vaters 1837 als Chorknabe aufgenommen worden war. Ab 1855 war er Organist am Dom in Linz, schließlich ab 1869 mit dem Titel 'k.u.k. Hoforganist' in Wien. Internationale Anerkennung erlangte er vor allem durch seine Improvisationen auf der Orgel, bei denen er oft mit Fantasien u.a. über Themen von Georg Friedrich Händel, Richard Wagner oder aus seinen eigenen Sinfonien glänzte.

Seit seiner Kindheit war Anton Bruckner mit der großen Orgel in der Stiftskirche St. Florian vertraut, mit der er sich zeit seines Lebens -und darüber hinaus- verbunden fühlte. Mit 78 Registern und vier Manualen war sie damals die bedeutendste in der gesamten Donaumonarchie. Für 'sein' Instrument schrieb Anton Bruckner jedoch nur wenige, unbedeutende Stücke, seine monumentalen Sinfonien widmete er dem sinfonischen Orchester, nachdem er mit immensem Fleiß die dazu erforderliche Kompositions- und Instrumentationstechnik studiert hatte.

Trotz seiner zeitintensiven Organistentätigkeit am Dom in Linz nahm Bruckner ein sechsjähriges 'Fernstudium' in Harmonielehre und Kontrapunkt bei dem angesehenen Theoretiker Simon Sechter in Wien auf, das er im November 1861 mit einer Prüfung abschloss. Kurz danach folgten weitere Studien bei dem 10 Jahre jüngeren Linzer Theaterkapellmeister Otto Kitzler in der freien Komposition, die ihm die entscheidenden Impulse zur Komposition sinfonischer Orchesterwerke vermittelten. Das erst 2014 veröffentliche Kitzler-Studienbuch zeichnet diese Entwicklung auf 326 Seiten mit handschriftlichen Übungen, Skizzen und Kompositionen Bruckners nach. Der zweijährige Unterricht bei dem befreundeten Kitzler endete im Frühjahr 1863 mit Bruckners ersten sinfonischen Werken, den Orchesterstücken (WAB 96 und 97). der Ouvertüre g-Moll (WAB 98) und der Sinfonie f-Moll (WAB 99).

Am 15. Februar 1863, zwei Tage nach der Linzer Erstaufführung des Tannhäuser, an der Bruckner mit der Einstudierung des Pilgerchores beteiligt war, begann er mit der Instrumentierung des ersten Satzes der Sinfonie f-Moll (WAB 99). Allein die 28 Themenentwürfe zum ersten Satz zeigen, mit welchem Elan Bruckner an diese Sinfonie heranging, die zugleich Ziel und Abschluss seiner Studien bei Otto Kitzler war. Dies erklärt auch, dass er trotz seiner zeitintensiven Organistentätigkeit am Dom in Linz bereits Ende Mai die Arbeit an der Sinfonie beendet hatte. Umso mehr war er enttäuscht, als Otto Kitzler sie als nicht besonders inspiriert bezeichnete, eine Beurteilung, die aus heutiger Sicht als ungerechtfertigt erscheint. Dennoch bemühte Bruckner sich mehrere Jahre lang um eine Aufführung, die aber nie zustande kam. Später gliederte er sie aus der Reihe seiner gezählten Sinfonien aus. Bei der letzten Revision seiner Werke in den frühen 1890er Jahren in Wien schrieb er über die Partitur sogar Schularbeit. Deshalb wird sie heute oft als Studiensinfonie bezeichnet und selten aufgeführt. Bei unvoreingenommener Betrachtung zeigt diese Sinfonie des bereits 39jährigen Komponisten jedoch die gleiche kompositionstechnische Souveränität wie die zwei Jahre später entstandene erste Sinfonie c-Moll. In den Strukturen der f-Moll Sinfonie sind (ähnlich wie in der Ouvertüre g-Moll) Einflüsse des Improvisierens auf der Orgel in Bruckners musikalischem Denken erkennbar.

Der amerikanische Organist und Komponist James Rogers (1857–1940) war nach seinem Studium in Berlin und Paris (bei Alexandre Guilmant und Charles Marie Widor) als Organist in Cleveland und als Dozent am Oberlin Conservatory tätig. Bekannt wurde er in den USA besonders durch seine Orgeltranskriptionen, deren interessanteste die des Feuerzaubers aus der Walküre von Richard Wagner ist. Die ergreifende Schlussszene der Walküre hat Rogers in genauer Kenntnis der Musik wie auch der klanglichen und spieltechnischen Möglichkeiten der Orgel bearbeitet.

Aus Anlass einer Hochzeit am österreichischen Kaiserhof in der Stadtpfarrkirche zu Bad Ischl entwarf  Anton Bruckner als Hoforganist eine Improvisationsskizze von insgesamt fast 70 Takten, die vor allem auf Themen aus dem Finale seiner ersten Sinfonie basierte. Am Ende wollte er diese Themen mit dem 'Halleluja' von Händel und der Kaiserhymne kombinieren. In meiner Fantasie wird die Kaiserhymne allerdings nicht erklingen.                                                   (www.rudolf-innig.de)