Bayreuth Stadtkirche
Samstag, 10. August 2024
Orgelkonzert
Hommage à Anton Bruckner aus Anlass des 200sten Geburtstages 2024
Programm
Anton Bruckner Ouvertüre g-Moll WAB 98 (1863)
(1824–1896) (Bearbeitung für Orgel von Rudolf Innig, 2018)
Richard Wagner Feuerzauber aus Die Walküre (1857)
(1813-1883) (Bearbeitung für Orgel von Rudolf Innig, 2023)
Otto Kitzler Trauermusik 'Dem Andenken Anton Bruckners' für großes Orchester (1905)
(1834-1915) (Bearbeitung für Orgel von Rudolf Innig, 2022)
Karl Waldeck Fantasie g-Moll nach einem Thema von
(1841-1905) Anton Bruckner (1867)
Orgel-Fantasie über Motive aus Beethovens Sinfonie Nr. 5 c-Moll, dem Andenken
Anton Bruckners gewidmet (1903)
Rudolf Innig Fantasie über eine Improvisationsskizze von Anton Bruckner (2021)
(*1947)
Gedanken zur Musik
Anders als heute war Anton Bruckner zu seiner Zeit nicht so sehr als Komponist bedeutender Sinfonien, sondern vielmehr als Organist bekannt. Während seiner Tätigkeit am Dom in Linz (1855-1868) lernte er den Theaterkapellmeister Otto Kitzler (1834-1915) kennen, der ihm zwischen Dezember 1861 und Juli 1863 die entscheidenden Impulse zur Komposition sinfonischer Orchesterwerke vermittelte. Kitzler machte ihn ebenfalls mit Richard Wagners Oper Tannhäuser (1845) bekannt, deren Aufführungen im Februar 1863 zu einem Schlüsselerlebnis für die weitere musikalische Entwicklung des schon fast 40jährigen Bruckner wurden. Seine Entwicklung zum Symphoniker ist im sogenannten Kitzler-Studienbuch festgehalten, das auf 326 Seiten Übungen von einfachen achttaktigen Perioden bis hin zu Skizzen für seine erste viersätzige Sinfonie f-Moll enthält.
In seinem Bemühen, das Komponieren sinfonischer Musik zu erlernen, hatte sich Anton Bruckner an den zehn Jahre jüngeren Otto Kitzler gewandt, der ihm anhand von kurz zuvor veröffentlichten Kompositionslehren vor allem das Studium der Sonatform - wie Bruckner sie nannte - vermittelte. Die 1863 entstandene Ouvertüre g-Moll orientiert sich an dieser (entscheidend von Ludwig van Beethoven geprägten) Sonatensatzform, der hier eine - nachträglich auf Kitzlers Rat - entstandene Langsame Einleitung vorausgeht. Aber schon der erste Sonatensatz des zu dieser Zeit bereits 38jährigen Anton Bruckner zielt abweichend von der Tradition vor allem auf die Coda der Ouvertüre, in der überraschend das Hauptthema in neuer Klanggestalt erklingt.
Richard Wagner war für Anton Bruckner der bedeutendste Komponist seiner Zeit, der 'Meister aller Meister'. Jedoch interessierten ihn weder Wagners Textbücher noch die Inszenierungen seiner Musikdramen, sondern ausschließlich dessen Musik, vor allem seine harmonischen Neuerungen mit ihrer Vorliebe für bis dahin unbekannte Akkordverbindungen, die bis in entlegene Tonarten reichten. Die Schlussszene aus der Walküre wurde deshalb zu einem der Lieblingsstücke Bruckners: In ihr versetzt Wotan seine Tochter Brünnhilde in einen Tiefschlaf und schließt sie in einem Feuerring ein. Wagner illustriert diese Handlung mit einigen seiner raffiniertesten Leitmotive. So besteht das zu Beginn in Halbenoten erklingende Schlummermotiv aus einer absteigenden chromatischen Tonleiter, deren Harmonisierung keine Orientierung zulässt. Den Feuergott Loge stellt Wagner dagegen in schnellen Sechzehntelpassagen dar, die sich ebenfalls einer genauen Wahrnehmung entziehen.
Otto Kitzlers dreiteilige Trauermusik - Dem Andenken Anton Bruckners (Adagio – Andante con moto – Adagio) verwendet keine direkten Zitate aus Bruckners sinfonischen Werken, übernimmt jedoch typische Stilelemente der sinfonischen Musik Bruckners: kurze 'Impulsmotive' mit ihrer Tendenz zur Sequenzierung, die von Wagner inspirierte avancierte Alterationsharmonik mit einer Vorliebe für trugschlussartige Wendungen in entfernte Terzverwandtschaften sowie die Neigung zu Orgelpunkten oder Generalpausen, Techniken, die Anton Bruckner als Improvisator auf der Orgel seit seiner Jugend vertraut waren.
Karl Waldeck stammte wie Bruckner aus einer Lehrerfamilie in Oberösterreich. Er war Bruckners Orgelschüler und wurde auf seine Empfehlung hin sein Nachfolger als Domorganist in Linz. Seine Fantasien orientieren sich an Orgelimprovisationen, die Waldeck zuvor von Bruckner gehört hatte. Die 'Fantasie' Waldecks besteht in diesen Stücken in verschiedenen Umformungen des Themas in Verbindung mit zum Teil überraschenden Harmoniewechseln in entlegene Tonarten.
Im Frühjahr 1890 war Anton Bruckner in Wien zum zweiten Mal mit der Umarbeitung seiner Sinfonie Nr. 1 c-Moll beschäftigt, die er 1865/66 als Domorganist in Linz komponiert hatte. Kurz vor Beendigung der Arbeit am Finale erreichte den k.k. Hoforganisten der Wunsch des kaiserlichen Hofes, bei der Hochzeit der jüngsten Kaisertochter in Bad Ischl Orgel zu spielen. Deshalb lag es für ihn nahe, die beiden Themen aus dem Finale dieser Sinfonie zu verwenden. Seinem etwa 70taktigen Manuskript zufolge sollte zum Einzug das Hauptthema des Finales erklingen. Beim Auszug wollte er mit dem Seitensatz beginnen, um dieses Thema dann mit dem 'Halleluja von Händl oder einer Kaiserlied-Improvisation' zu verbinden oder sogar alle drei Themen zu vermischen. Bruckners Vorschläge wurden jedoch vom Oberhofamt abgelehnt: Die Themen der Sinfonie seien nicht passend und eine Fantasie über das Kaiserlied würde den Kaiser langweilen. Dennoch begann Bruckner mit einer Fuge über das Kaiserlied (die heutige deutsche Nationalhymne), und beim Auszug variierte er dieses Thema erneut, um danach in das Halleluja von Händel überzugehen. Der Kaiser war sehr beeindruckt und würdigte Bruckners Improvisation mehrfach bei der anschließenden Hoftafel. Die hier erklingende Fantasie über Bruckners Improvisationsskizze verbindet die beiden von Bruckner in seiner Skizze notierten Themen mit einer Transkription der Coda des Finales der Sinfonie Nr. 1 c-Moll, die in einen triumphalen Schluss in C-Dur mündet. Im Mittelteil ist das von Bruckner nur angedeutete Halleluja-Zitat von Händel zu einer kleinen Fugato-Episode ausgeweitet.
(Dr. Rudolf Innig)
Rudolf Innig, Orgel
(www.rudolf-innig.de)