Anton Bruckner - Sinfonie d-Moll Nr. 1 (WAB 100)

 

Bruckner

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 (ca. 90 Seiten, 30 €)

 

Anton Bruckners Sinfonie d-Moll ist natürlich nicht seine 'Nullte', auch wenn dieser unsinnige Sprachgebrauch im Jahre 2024 im Titel der Partitur der Bruckner Gesamtausgabe und in aktuellen Publikationen noch immer zu finden ist. Dabei gab es schon seit dem frühen 20. Jahrhundert Klarheit über die Entstehungsdaten dieser Sinfonie im Jahre 1869.

Die Verwirrung entstand durch Bruckners Bemerkung auf dem Titelblatt des Autographs und der Abschrift, die Sinfonie sei ungiltig, ergänzt durch das Annullierungszeichen Ø. Dies wurde später als 'Null' missverstanden, ein Irrtum, der sich in der vierbändigen Bruckner-Biografie von August Göllerich/Max Auer (1931-35) und der Partitur der Gesamtausgabe (1968) bis in die Gegenwart fortsetzte. Deshalb wundert es nicht, wenn die Sinfonie d-Moll erst 1924 anlässlich des 100sten Geburtstages von Anton Bruckner zum ersten Mal erklang und auch heute - 100 Jahre später - nur selten auf dem Spielplan der internationalen Orchester steht.

Mit einer sehr ungewöhnlichen Entscheidung hatte Anton Bruckner das Autograph seiner viersätzigen Sinfonie und ihre zwei Abschriften (jeweils etwa 200 handgeschriebene Seiten) als ungültig und 'nur als Versuch' erklärt. Was ihn zu diesem in der Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts einmaligen Schritt veranlasste, wird erst verständlich, wenn man seine persönliche Situation um das Jahr 1868 näher betrachtet...

 

In der Sinfonie lassen sich strukturelle Unterschiede in den Sätzen zwei und vier im Vergleich zu den beiden anderen Sätzen erkennen, die darauf schließen lassen, dass Bruckner hier auf bereits zuvor komponierte Sätze zurückgriff. Vermutlich sind sie zumindest in Form von Skizzen nicht erst im Jahr 1869 entstanden, sondern bereits vor der 1865/66 komponierten Sinfonie c-Moll Nr. 1. Während von der Sinfonie c-Moll Nr. 1 mehrere Skizzen und Fragmente erhalten sind, fehlen diese für Bruckners Arbeitsweise so charakteristischen Entwürfe bei bei der Sinfonie d-Moll...

 

(Dr. Rudolf Innig)