Sonntag, 19.05 2024
19.00 Uhr Kassel, St. Martin
Orgelkonzert
Kassel, St. MartinsKirche
Sonntag, 19. Mai 2024, 19.00 Uhr
Orgelkonzert
Hommage à Anton Bruckner
aus Anlass des 200sten Geburtstages 2024
Anton Bruckner Ouvertüre g-Moll WAB 98 (1863)
(1824–1896) (Bearbeitung für Orgel von Rudolf Innig, 2018)
Richard Wagner Feuerzauber aus Die Walküre (1857)
(1813-1883) (Bearbeitung für Orgel von Rudolf Innig, 2023)
Olivier Messiaen Messe de la Pentecôte (1950)
(1908-1992) Offertoire: Les choses visibles et invisibles
(Die sichtbaren und die unsichtbaren Dinge)
Pause
Anton Bruckner Drei Orchesterstücke WAB 97 (1862)
(1824-1896) Moderato
Andante
Andante con moto
(Transkription für Orgel von Rudolf Innig, 2018)
Olivier Messiaen Messe de la Pentecôte (1950)
(1908-1992) Communion: Les oiseaux et les sources
(Die Vögel und die Quellen)
Rudolf Innig Fantasie über eine Improvisationsskizze
(*1947) von Anton Bruckner (2021)
Rudolf Innig, Orgel
(www.rudolf-innig.de)
Gedanken zur Musik
Anders als heute war Anton Bruckner zu seiner Zeit nicht so sehr als Komponist bedeutender Sinfonien, sondern vielmehr als Organist bekannt. Während seiner Tätigkeit am Dom in Linz (1855-1868) lernte er den Theaterkapellmeister Otto Kitzler (1834-1915) kennen, der ihm zwischen Dezember 1861 und Juli 1863 die entscheidenden Impulse zur Komposition sinfonischer Orchesterwerke vermittelte. Ebenfalls machte er ihn mit Richard Wagners Oper Tannhäuser (1845) bekannt, deren Aufführungen im Februar 1863 zu einem Schlüsselerlebnis für die weitere musikalische Entwicklung des schon fast 40jährigen Bruckner wurden. Sein Weg zum Symphoniker ist im sogenannten Kitzler-Studienbuch festgehalten, das auf 326 Seiten Übungen von einfachen achttaktigen Perioden bis hin zu Skizzen für seine erste viersätzige Sinfonie enthält.
In seinem Bemühen, das Komponieren sinfonischer Musik zu erlernen, hatte Anton Bruckner sich 1861 an den zehn Jahre jüngeren Otto Kitzler gewandt, der ihm anhand von kurz zuvor veröffentlichten Kompositionslehren das Studium der Sonatform - wie Bruckner sie nannte - vermittelte. Die 1863 entstandene Ouvertüre g-Moll orientiert sich an dieser (vor allem von Ludwig van Beethoven geprägten) 'Sonatform', der hier eine - nachträglich auf Kitzlers Rat - entstandene Langsame Einleitung vorausgeht. Aber schon der erste Sonatensatz des zu dieser Zeit bereits 38jährigen Komponisten zielt abweichend von der Tradition vor allem auf die Coda der Ouvertüre, in der überraschend das Hauptthema in neuer Klanggestalt erklingt.
Richard Wagner war für Anton Bruckner war der bedeutendste Komponist seiner Zeit, der 'Meister aller Meister'. Jedoch interessierten ihn weder Wagners Textbücher noch die Inszenierungen seiner Musikdramen, sondern 'nur' dessen Musik, vor allem seine harmonischen Neuerungen mit ihrer Vorliebe für bis dahin unbekannte Akkordverbindungen, die bis in entlegene Tonarten reichten. Die Schlussszene aus der Walküre wurde deshalb zu einem der Lieblingsstücke Bruckners: In ihr versetzt Wotan seine Tochter Brünnhilde in einen Tiefschlaf und schließt sie in einem Feuerring ein. Wagner illustriert diese Handlung mit einigen seiner raffiniertesten Leitmotive. So besteht das zu Beginn in Halbenoten erklingende Schlummermotiv aus einer absteigenden chromatischen Tonleiter, deren Harmonisierung keine Orientierung zulässt. Den Feuergott Loge stellt Wagner dagegen in schnellen Sechzehntelpassagen dar, die sich ebenfalls einer genauen Wahrnehmung entziehen.
Olivier Messiaen hat die Musik des 20. Jh. wesentlich durch seine kompositorischen Neuerungen geprägt: Musikstudierende aus aller Welt zog es magisch nach Paris in seine Kompositionsklasse am dortigen Conservatoire, und junge Organisten waren fasziniert von seinen Orgelimprovisationen am Ende der sonntäglichen Gottesdienste in der St. Trinité-Kirche, die er auf einem Tonband festzuhalten pflegte.
Die Erschütterungen des Zweiten Weltkrieges, den Messiaen über ein Jahr lang in einem Gefangenenlager in Görlitz verbrachte, spiegeln sich in dem dort 1941 entstandenen (und uraufgeführten!) Quartett auf das Ende der Zeit; im Orgelzyklus Livre d'Orgue (1948) hat ein Satz den Untertitel Die Hände am Abgrund. Und wenn in dem Satz Die sichtbaren und die unsichtbaren Dinge der fünfsätzigen Pfingstmesse (1950) vom schwarzen Grunzen des Ungeheuers der Apokalypse die Rede ist (s. u.), so ist das nicht nur eine poetische Metapher.
Seit dieser Zeit sind seine Werke von seriellen Abschnitten geprägt, in denen sich verschieden lange Rhythmen und Tonreihen - für Hörer kaum wahrnehmbar - überlagern, so wie etwa in den mittleren Abschnitten des zweiten Satzes der Pfingstmesse Die sichtbaren und die unsichtbaren Dinge. Seine Modi mit begrenzter Transpositionsmöglichkeit erlauben es ihm nun zunehmend, sowohl zwölftönige Musik zu schreiben wie auch tonale Abschnitte, deren Harmonien von Claude Debussy stammen könnten. Auch Vogelstimmen erklingen in seiner Musik, die Messiaen als 'semiprofessioneller' Ornithologe nun - wie im vierten Satz der Pfingstmesse - genau benennt.
In seinen Erläuterungen zu den beiden Sätzen der Pfingstmesse schreibt Messiaen: "Was alles steckt in diesen Worten! Die bekannten und unbekannten Dimensionen: vom möglichen Durchmesser des Universums bis zu dem des Protons - die bekannten und die unbekannten Zeitdauern: vom Alter der Galaxien bis zu dem der Protonwelle - die geistige und die materielle Welt, die Gnade und die Sünde, die Engel und die Menschen, die Mächte des Lichtes und die Mächte der Finsternis - die atmosphärischen Schwingungen, der liturgische Gesang, der Gesang der Vögel, die Melodie der Wassertropfen und das schwarze Grunzen des Ungeheuers der Apokalypse - schließlich alles, was klar und greifbar ist, und alles, was dunkel, geheimnisvoll, übernatürlich ist, alles, was Wissenschaft und rationales Denken übersteigt, alles, was wir nicht enträtseln können, alles, was wir nie verstehen werden. ... Das Stück gliedert sich in sieben Abschnitte und eine Coda..."
Und zum vierten Satz Die Vögel und die Quellen schreibt Messiaen: "Es ist üblich, nach der Kommunion den Gesang der drei Jünglinge, der Gefährten Daniels, zu rezitieren. Diese drei Jünglinge sind in einen glühenden Ofen geworfen worden. Aber sie gehen unbeschwert durch die Flammen, und sie improvisieren einen Gesang, in dem sie die ganze Schöpfung einladen, gemeinsam mit ihnen das Lob des Herren anzustimmen: Engel, Gestirne, atmosphärische Erscheinungen, alle Wesen, die die Erde bevölkern. Ein Vers wendet sich an das Wasser, ein anderer an die Vögel..." (Dr. Rudolf Innig)
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